Regiekommentar

Zur Zeit gibt es rund 25 000 Windräder in Deutschland (Stand 2015). Ich lebe in Berlin. Dort sehe ich kein einziges. Wenn ich den Lichtschalter drücke, geht das Licht an. Strom aus “erneuerbaren Energien” hört sich gut an. Was die Energiewende in Deutschland tatsächlich bedeutet, habe ich erst auf dem Land erfahren. Überall haben sich Bürgerinitiativen gegründet, die gegen den Bau von Windkraftanlagen kämpfen. Zwar ist der Wald, um den dabei vor allem in Mitteldeutschland gefochten wird, ohnehin ein Wirtschaftsraum und entpuppt sich das romantisch verklärte Bild vom Wald als scheinbarer “Urnatur” bei näherem Hinsehen als Illusion, doch stellt sich trotzdem die Frage, inwiefern Landschaften, die baulich noch nicht  technisch-industriell überformt sind, erhalten werden sollen. Darf ein Dorf in Hessen von Windkraftanlagen umzingelt werden, damit bei mir in Berlin weiter das Licht angeht? Was ist uns der Blick auf eine “unberührte” Landschaft wert? 

Mit einem kritischen Film zum Thema Windkraft begibt man sich auf heikles Terrain. Denn klar ist: Die Verbrennung fossiler Energieträger und der Wahnsinn der Atomkraft haben (vor allem uns im Westen) zwar nie gekannten Komfort und Produktivität beschert, doch bergen sie zugleich unabsehbare Risiken und haben gigantische ökologisch-soziale Desaster bewirkt. Öl, Kohle, Gas und Atom können und dürfen nicht die Zukunft sein. So richtig deshalb ein Umstieg auf “erneuerbare” Energieträger ist, so gefährlich ist jedoch die damit einhergehende Suggestion, dass wir mit Energie aus Sonne und Wind, mit E-Cars, (quecksilberhaltigen) Energiesparlampen und “energieeffizienten” Kühlschränken so weitermachen können wie bisher. Denn innerhalb eines Systems, das auf dem irrsinnigen Paradigma stetigen Wachstums basiert, lösen erneuerbare Energien und “Energieeffizienzallein nicht die Probleme, sondern verschärfen sie womöglich sogar noch. 

Man stelle sich vor, es gäbe eine “kostenlose”, nicht umweltschädliche Energiequelle: Dies würde die Produktion im Rahmen des kapitalistischen Profitmaximierungswettbewerbs erst recht noch befeuern – und damit den Raubbau und die Zerstörung der Natur weiter beschleunigen. Die Frage nach alternativen Energien muss deshalb unbedingt mit der Systemfrage verbunden werden. Eine wirkliche Energiewende müsste eine Ressourcenwende sein und in der Schaffung eines Wirtschaftssystems bestehen, das nicht ausschließlich an Profitmaximierung, Markt und Wettbewerb ausgerichtet ist. 

Philipp von Becker